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|title=Spirit, Logic & Mathematics
 
|title=Spirit, Logic & Mathematics
 
|author=Hendrik Lakeberg
 
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"[[Spirit, Logic & Mathematics]]" was an interview (in German) by Hendrik Lakeberg originally published Oct. 2005 in De:Bug magazine Number 93. <ref>http://de-bug.de/mag/boards-of-canada/</ref> <ref>http://de-bug.de/share/debug96.pdf</ref>
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"[[Spirit, Logic & Mathematics]]" is an October 2015 interview by Hendrik Lakeberg It originally appeared in De:Bug #93. [http://de-bug.de/mag/boards-of-canada/]
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== Spirit, Logic & Mathematics ==
  
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Die mysterösen Superstars der Elektronika haben wieder ein Album gemacht. Drei Jahre haben die beiden Schotten dafĂŒr gebraucht. “ZurĂŒck zu den AnfĂ€ngen” war ihre Premisse. Warum alle so aufgeregt sind, verstehen sie am aller wenigsten.
 
  
  
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RĂŒckwĂ€rts wird’s auch nicht besser
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Die mysterösen [[Boards of Canada|Superstars der Elektronika]] haben wieder [[The Campfire Headphase|ein Album]] gemacht. Drei Jahre haben die beiden Schotten dafĂŒr gebraucht. “ZurĂŒck zu den AnfĂ€ngen” war ihre Premisse. Warum alle so aufgeregt sind, verstehen sie am aller wenigsten.
  
  
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Seit 1990 findet im Norden Schottlands in der NĂ€he des Boards-of-Canada-Studios einmal jĂ€hrlich eine Outdoor-Party statt. Vor der imposanten Naturkulisse Schottlands und verstreut brennenden Lagerfeuern lauschen die Besucher rĂŒckwĂ€rtslaufenden Sprachcollagen, verfremdeter Filmmusik und starren auf flimmernde LeinwĂ€nde, beschienen von kruden Film-ObskuritĂ€ten. Unter dem Namen Hexagon Sun kollaborierten die Zeremonienmeister der Veranstaltung Mike Sandison und Marcus Eoin regelmĂ€ĂŸig mit befreundeten Musikern. Wabernder Elektronika-Prog weht ĂŒber einen Strand irgendwo im nördlichen Schottland. In der Nacht des ersten Festivals leuchtete der Mond blutrot und der Name dieses nebligen Gatherings war geboren: Red moon nights.
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RĂŒckwĂ€rts wird’s auch nicht besser
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Vielleicht waren diese Abende die Geburtsstunde der Boards of Canada, wie wir sie heute kennen. Alles scheint dagewesen zu sein: die Faszination fĂŒr Natur, dieses dĂŒstere, esoterisch angehauchte Neo-Hippietum, die Anspielungen auf bedeutungsschwangere mathematische Konstruktionen. Keine andere Elektronika-Band hat in den letzten Jahren mehr RĂ€tsel aufgegeben. In Internet-Foren werden ihre Platten mit pedantischer PrĂ€zision auf versteckte Hinweise untersucht, Samples rĂŒckwĂ€rts abgespielt, Zahlenfolgen gedeutet. So finden sich auf der EP “A Beautiful Place In The Country” im Artwork der Platte beispielsweise Hinweise auf den Kollektiven Selbstmord der Davidianer-Sekte im texanischen Waco. Und auf ihrem vorletzten Album “Geogaddi” soll man in einem rĂŒckwĂ€rtslaufenden Sprachsample den Satz “A God with Horns” hören können.
 
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“The Devil Is In The Details” nennt sich ein Track auf “Geogaddi”. Bei den Interpretationen handelt es sich also nicht nur um Phantasmagorien obsessiv veranlagter Fans. Boards of Canada selber sind nicht ganz unschuldig an den Mysterien und VerklĂ€rungen, die sich um sie ranken.
 
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Doch die Zeiten scheinen sich geĂ€ndert zu haben. Durch “Campfire Headphase”, die neue BOC-Platte, weht im Gegensatz zum dĂŒster vernebelten Surrealismus von “Geogaddi” der illuminierende Wind der AufklĂ€rung. Die Tracks sind strukturell glasklar, die Beats rumpeln prĂ€zise abgezirkelt vor sich hin. DarĂŒber schweben diese typischen BOC-FlĂ€chen, wie pastellige Farben, die langsam ineinander laufen, sich vermischen und vorsichtig gerinnen. Vielleicht ist “Campfire Headphase” die Abendröte der Elektronika. Zeitlos schön und gerade deshalb so zeitgemĂ€ĂŸ. Fast wie ein klassisches LehrstĂŒck, eine Essenz. Und fĂŒr BOC die logische Konsequenz ihrer bisherigen Arbeit.
 
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NatĂŒrlich ist auch “Campfire Headphase” durchsetzt mit Anspielungen, Konzepten, RĂ€tseln. Das Bild, dass sich aus der Musik herauslesen lĂ€sst, rĂŒckt eine andere Seite ins Licht: Marcus Eoin und Mike Sanderson ging es niemals allein darum, in opake, mystische Welten herabzufĂŒhren, sondern eher darum, das Seltsame, schwer Verstehbare der Welt in Musik umzusetzen. RĂ€tsel aufzugeben, die danach verlangen, entrĂ€tselt zu werden. Eine epische Inszenierung fundamentaler Konflikte auszubreiten: Magie vs. Logik, SpiritualitĂ€t vs. Vernunft.
 
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Wie fĂŒhlt sich das fĂŒr euch an, eine Platte draußen zu haben? Ist das nicht immer hart, so einen Schnitt zu machen, die Musik in der Öffentlichkeit zu exponieren und die Reaktionen abzuwarten?
 
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Wir sind mit der neuen Platte sehr glĂŒcklich. Es ist schon manchmal schwer, diesen Punkt abzupassen, an dem man sagt: “OK, das ist jetzt fertig”, und ab und zu mĂŒssen wir uns richtig dazu zwingen, einen Track gehen zu lassen. Bei dieser Platte war es aber eigentlich so, dass wir den Sound, den wir erreichen wollten, auch fast genauso hinbekommen haben. GrundsĂ€tzlich interessieren uns die Reviews und der ganze Internet-Chat ĂŒber unsere Musik nicht wirklich. Wir versuchen immer einfach nur unseren Instinkten zu folgen.
 
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“The Campfire Headphase” klingt schnörkelloser als “Geogaddi”. Gab es Unterschiede im Produktionsprozess, in eurem Zugang zur Musik?
 
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Ja. In gewisser Weise wollten wir unsere Musik vereinfachen. Das war aber im Vergleich zu den anderen Platten sehr zeitaufwendig. Klingt komisch: mehr Zeit fĂŒr einen reduzierten Sound. War aber so. Unser Zugang zur Musik verĂ€ndert sich eigentlich stĂ€ndig und von Platte zu Platte. Unsere Ideen und Themen Ă€ndern sich, die Musik, die wir hören 
 Diesmal wollten wir zurĂŒckkehren zu einem simplen Sound, zu destillierten Melodien. Die Tracks sind aber gleichzeitig immer noch sehr dicht im Hinblick auf die Arrangements.
 
  
  
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Ihr arbeitet jetzt seit fast 20 Jahren zusammen. Gab es bei eurer Kollaboration eine Zeit, in der ihr euch in einer Sackgasse gefĂŒhlt habt?
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Seit 1990 findet im Norden Schottlands in der NĂ€he des Boards-of-Canada-Studios einmal jĂ€hrlich eine Outdoor-Party statt. Vor der imposanten Naturkulisse Schottlands und verstreut brennenden Lagerfeuern lauschen die Besucher rĂŒckwĂ€rtslaufenden Sprachcollagen, verfremdeter Filmmusik und starren auf flimmernde LeinwĂ€nde, beschienen von kruden Film-ObskuritĂ€ten. Unter dem Namen [[Hexagon Sun]] kollaborierten die Zeremonienmeister der Veranstaltung [[Mike Sandison]] und [[Marcus Eoin]] regelmĂ€ĂŸig mit befreundeten Musikern. Wabernder Elektronika-Prog weht ĂŒber einen Strand irgendwo im nördlichen Schottland. In der Nacht des ersten Festivals leuchtete der Mond blutrot und der Name dieses nebligen Gatherings war geboren: [[Red Moon incident|Red moon nights]].
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Vielleicht waren diese Abende die Geburtsstunde der [[Boards of Canada]], wie wir sie heute kennen. Alles scheint dagewesen zu sein: die Faszination fĂŒr Natur, dieses dĂŒstere, esoterisch angehauchte Neo-Hippietum, die Anspielungen auf bedeutungsschwangere mathematische Konstruktionen. Keine andere Elektronika-Band hat in den letzten Jahren mehr RĂ€tsel aufgegeben. In Internet-Foren werden ihre Platten mit pedantischer PrĂ€zision auf versteckte Hinweise untersucht, Samples rĂŒckwĂ€rts abgespielt, Zahlenfolgen gedeutet. So finden sich auf der EP ''[[In a Beautiful Place out in the Country|A Beautiful Place In The Country]]'' im Artwork der Platte beispielsweise Hinweise auf den Kollektiven Selbstmord der Davidianer-Sekte im texanischen Waco. Und auf ihrem vorletzten Album ''[[Geogaddi]]'' soll man in einem rĂŒckwĂ€rtslaufenden Sprachsample den Satz “A God with Horns” hören können.
  
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"[[The Devil Is In The Details]]" nennt sich ein Track auf ''[[Geogaddi]]''. Bei den Interpretationen handelt es sich also nicht nur um Phantasmagorien obsessiv veranlagter Fans. [[Boards of Canada]] selber sind nicht ganz unschuldig an den Mysterien und VerklÀrungen, die sich um sie ranken.
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Doch die Zeiten scheinen sich geĂ€ndert zu haben. Durch ''[[The Campfire Headphase|Campfire Headphase]]'', die neue BOC-Platte, weht im Gegensatz zum dĂŒster vernebelten Surrealismus von “''[[Geogaddi]]''” der illuminierende Wind der AufklĂ€rung. Die Tracks sind strukturell glasklar, die Beats rumpeln prĂ€zise abgezirkelt vor sich hin. DarĂŒber schweben diese typischen BOC-FlĂ€chen, wie pastellige Farben, die langsam ineinander laufen, sich vermischen und vorsichtig gerinnen. Vielleicht ist ''[[The Campfire Headphase|Campfire Headphase]]'' die Abendröte der Elektronika. Zeitlos schön und gerade deshalb so zeitgemĂ€ĂŸ. Fast wie ein klassisches LehrstĂŒck, eine Essenz. Und fĂŒr [[BOC]] die logische Konsequenz ihrer bisherigen Arbeit.
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NatĂŒrlich ist auch ''[[The Campfire Headphase|Campfire Headphase]]'' durchsetzt mit Anspielungen, Konzepten, RĂ€tseln. Das Bild, dass sich aus der Musik herauslesen lĂ€sst, rĂŒckt eine andere Seite ins Licht: [[Marcus Eoin]] und Mike Sanderson ging es niemals allein darum, in opake, mystische Welten herabzufĂŒhren, sondern eher darum, das Seltsame, schwer Verstehbare der Welt in Musik umzusetzen. RĂ€tsel aufzugeben, die danach verlangen, entrĂ€tselt zu werden. Eine epische Inszenierung fundamentaler Konflikte auszubreiten: Magie vs. Logik, SpiritualitĂ€t vs. Vernunft.
  
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Nein, eigentlich nicht. Wir haben eher das GefĂŒhl, nicht genug Zeit zu haben, alles das zu machen, was wir gerne machen wĂŒrden. Unsere Musik Ă€ndert sich von Platte zu Platte, bleibt aber im Kern ganz klar “Boards of Canada”. Wir lassen immer ein anders farbiges Licht durch unsere Musik scheinen.
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{{question|Wie fĂŒhlt sich das fĂŒr euch an, eine Platte draußen zu haben? Ist das nicht immer hart, so einen Schnitt zu machen, die Musik in der Öffentlichkeit zu exponieren und die Reaktionen abzuwarten?}}
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Außerdem interessieren wir uns beide fĂŒr Ă€hnliche Dinge, Ă€hnliche Filme, Ă€hnliche Musik, Kunst und Literatur. Uns gehen irgendwie nie die Ideen aus. Wir planen jetzt schon unser nĂ€chstes Projekt.
 
  
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{{boc|"Wir sind mit der neuen Platte sehr glĂŒcklich. Es ist schon manchmal schwer, diesen Punkt abzupassen, an dem man sagt: “OK, das ist jetzt fertig”, und ab und zu mĂŒssen wir uns richtig dazu zwingen, einen Track gehen zu lassen. Bei dieser Platte war es aber eigentlich so, dass wir den Sound, den wir erreichen wollten, auch fast genauso hinbekommen haben. GrundsĂ€tzlich interessieren uns die Reviews und der ganze Internet-Chat ĂŒber unsere Musik nicht wirklich. Wir versuchen immer einfach nur unseren Instinkten zu folgen."}}
  
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Gab es fĂŒr euch einen musikalischen Moment, von dem ihr dachtet, das ist jetzt perfekt, das könnte fĂŒr immer so weitergehen?
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{{question|''[[The Campfire Headphase]]'' klingt schnörkelloser als “''[[Geogaddi]]''”. Gab es Unterschiede im Produktionsprozess, in eurem Zugang zur Musik?}}
  
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{{boc|"Ja. In gewisser Weise wollten wir unsere Musik vereinfachen. Das war aber im Vergleich zu den anderen Platten sehr zeitaufwendig. Klingt komisch: mehr Zeit fĂŒr einen reduzierten Sound. War aber so. Unser Zugang zur Musik verĂ€ndert sich eigentlich stĂ€ndig und von Platte zu Platte. Unsere Ideen und Themen Ă€ndern sich, die Musik, die wir hören 
 Diesmal wollten wir zurĂŒckkehren zu einem simplen Sound, zu destillierten Melodien. Die Tracks sind aber gleichzeitig immer noch sehr dicht im Hinblick auf die Arrangements."}}
  
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Ja, das passiert sogar sehr oft. Speziell bei den extrem minimalen Tracks, bei einer verloren klingenden, isolierten Melodie oder sich wiederholenden Phrasen. Auf diesem Album ist das bei dem letzten Track “Farewell Fire” so. Wir hĂ€tten der Musik fĂŒr immer zuhören können, also haben wir den Track am Ende der Platte ganz langsam ausgefaded, so langsam, dass der Track die letzten zwei Minuten kaum noch zu hören ist, die Musik aber weiter ganz leise vor sich hinkreist.
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{{question|Ihr arbeitet jetzt seit fast 20 Jahren zusammen. Gab es bei eurer Kollaboration eine Zeit, in der ihr euch in einer Sackgasse gefĂŒhlt habt?}}
  
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{{boc|"Nein, eigentlich nicht. Wir haben eher das GefĂŒhl, nicht genug Zeit zu haben, alles das zu machen, was wir gerne machen wĂŒrden. Unsere Musik Ă€ndert sich von Platte zu Platte, bleibt aber im Kern ganz klar [[Boards of Canada]]. Wir lassen immer ein anders farbiges Licht durch unsere Musik scheinen.
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Außerdem interessieren wir uns beide fĂŒr Ă€hnliche Dinge, Ă€hnliche Filme, Ă€hnliche Musik, Kunst und Literatur. Uns gehen irgendwie nie die Ideen aus. Wir planen jetzt schon unser nĂ€chstes Projekt."}}
  
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Spielen die Zuhörer irgendeine Rolle fĂŒr euch?
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{{question|Gab es fĂŒr euch einen musikalischen Moment, von dem ihr dachtet, das ist jetzt perfekt, das könnte fĂŒr immer so weitergehen?}}
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Das ist eine schwierige Frage, weil wir uns auf der einen Seite immer vorstellen, dass niemand unsere Musik hört, um die Musik möglichst direkt und unmittelbar aus uns selber heraus zu produzieren. Aber da draußen gibt es natĂŒrlich viele Leute, die sich sehr intensiv alles anhören, was wir machen. Also spielen wir ein wenig damit. Eines unserer Hauptziele ist es, ganz tief sitzende GefĂŒhle beim Hörer anzusprechen 
 persönliche, emotionale Bindungen oder eine verblasste Erinnerung an jemanden oder etwas, das verloren ist.
 
  
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{{boc|"Ja, das passiert sogar sehr oft. Speziell bei den extrem minimalen Tracks, bei einer verloren klingenden, isolierten Melodie oder sich wiederholenden Phrasen. Auf diesem Album ist das bei dem letzten Track "[[Farewell Fire]]" so. Wir hĂ€tten der Musik fĂŒr immer zuhören können, also haben wir den Track am Ende der Platte ganz langsam ausgefaded, so langsam, dass der Track die letzten zwei Minuten kaum noch zu hören ist, die Musik aber weiter ganz leise vor sich hinkreist."}}
  
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Woher kommt eure Faszination fĂŒr “heidnische” Religionen und Natur? Den Track “Atarochronon” könnte man vielleicht in diesem Kontext sehen.
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{{question|Spielen die Zuhörer irgendeine Rolle fĂŒr euch?}}
  
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{{boc|"Das ist eine schwierige Frage, weil wir uns auf der einen Seite immer vorstellen, dass niemand unsere Musik hört, um die Musik möglichst direkt und unmittelbar aus uns selber heraus zu produzieren. Aber da draußen gibt es natĂŒrlich viele Leute, die sich sehr intensiv alles anhören, was wir machen. Also spielen wir ein wenig damit. Eines unserer Hauptziele ist es, ganz tief sitzende GefĂŒhle beim Hörer anzusprechen 
 persönliche, emotionale Bindungen oder eine verblasste Erinnerung an jemanden oder etwas, das verloren ist."}}
  
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Ataronchronon handelt eher von der Zersplitterung eines vertrieben Indianerstamms, es handelt von geschichtlicher Tragik und Ungerechtigkeit. Wir sind zwar an Religion interessiert, selber aber nicht religiös. Unser Interesse sowohl an der SpiritualitÀt als auch an der Natur, an Geometrie und Mathematik, an der Erhabenheit der Wahrnehmung des Ganzen hÀngt damit zusammen, dass wir verstehen wollen, welche Werte und Muster unser Gehirn auf die Welt projiziert.
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{{question|Woher kommt eure Faszination fĂŒr “heidnische” Religionen und Natur? Den Track "[[Ataronchronon]]" könnte man vielleicht in diesem Kontext sehen.}}
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Vielleicht können aber auch das Spirituelle, die Wissenschaft, Logik und Mathematik nebeneinander stehen. Die Dinge scheinen manchmal nicht allein wissenschaftlich erklĂ€rt werden zu können. Wenn man eine schöne Melodie hört, sich in jemanden verliebt, was auch immer 

 
  
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{{boc|"[[Ataronchronon]]" handelt eher von der Zersplitterung eines vertrieben Indianerstamms, es handelt von geschichtlicher Tragik und Ungerechtigkeit. Wir sind zwar an Religion interessiert, selber aber nicht religiös. Unser Interesse sowohl an der SpiritualitÀt als auch an der Natur, an Geometrie und Mathematik, an der Erhabenheit der Wahrnehmung des Ganzen hÀngt damit zusammen, dass wir verstehen wollen, welche Werte und Muster unser Gehirn auf die Welt projiziert.
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Vielleicht können aber auch das Spirituelle, die Wissenschaft, Logik und Mathematik nebeneinander stehen. Die Dinge scheinen manchmal nicht allein wissenschaftlich erklĂ€rt werden zu können. Wenn man eine schöne Melodie hört, sich in jemanden verliebt, was auch immer 
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Auf der “A Beautiful Place In The Country”-EP spielt ihr auf das Waco-Massaker an. Dort hat eine Sekte einen kollektiven Selbstmord begangen. Wie fĂŒgt sich das ein?
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{{question|Auf der ''[[In a Beautiful Place out in the Country (release)|A Beautiful Place In The Country]]''-EP spielt ihr auf das Waco-Massaker an. Dort hat eine Sekte einen kollektiven Selbstmord begangen. Wie fĂŒgt sich das ein?}}
  
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{{boc|"Das Interesse an Religion kommt aus unserem Respekt und der Liebe fĂŒr die Perfektion, die man ĂŒberall auf diesem Planeten sieht. Aber in evolutionĂ€rer Hinsicht haben Menschen schlicht und einfach nicht den Intellekt, um wirklich zu verstehen, was vor sich geht. Es reduziert sich also auf einen Krieg zwischen Logik und SpiritualitĂ€t, wie eben in Waco."}}
  
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Das Interesse an Religion kommt aus unserem Respekt und der Liebe fĂŒr die Perfektion, die man ĂŒberall auf diesem Planeten sieht. Aber in evolutionĂ€rer Hinsicht haben Menschen schlicht und einfach nicht den Intellekt, um wirklich zu verstehen, was vor sich geht. Es reduziert sich also auf einen Krieg zwischen Logik und SpiritualitĂ€t, wie eben in Waco.
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{{question|Wie steht ihr zu den ganzen Interpretationen, die ĂŒber eure Platten kursieren?}}
  
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{{boc|"Das erstaunt uns manchmal schon, dass die Leute ganz kleine Details in unserer Musik wahrnehmen, von denen wir gedacht haben, dass sie die niemals bemerken wĂŒrden. Auf der anderen Seite werden aber auch einfach Dinge erfunden, die so nicht da sind. Deshalb wird es manchmal tatsĂ€chlich einfach nur absurd."}}
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Wie steht ihr zu den ganzen Interpretationen, die ĂŒber eure Platten kursieren?
 
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Das erstaunt uns manchmal schon, dass die Leute ganz kleine Details in unserer Musik wahrnehmen, von denen wir gedacht haben, dass sie die niemals bemerken wĂŒrden. Auf der anderen Seite werden aber auch einfach Dinge erfunden, die so nicht da sind. Deshalb wird es manchmal tatsĂ€chlich einfach nur absurd.
 
  
 
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== References  ==
 
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[[Category: Interviews]]
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[[Category: The Campfire Headphase era]]

Revision as of 10:58, 21 May 2019


title Spirit, Logic & Mathematics
author Hendrik Lakeberg
publication De:Bug
date 2005/10
issue 93
pages p.28



Original text

"Spirit, Logic & Mathematics" was an interview (in German) by Hendrik Lakeberg originally published Oct. 2005 in De:Bug magazine Number 93. [1] [2]

This is an original text copied verbatim from the original source. Do not edit this text to correct errors or misspellings. Aside from added wikilinks, this text is exactly as it originally appeared.



Spirit, Logic & Mathematics

Die mysterösen Superstars der Elektronika haben wieder ein Album gemacht. Drei Jahre haben die beiden Schotten dafĂŒr gebraucht. “ZurĂŒck zu den AnfĂ€ngen” war ihre Premisse. Warum alle so aufgeregt sind, verstehen sie am aller wenigsten.


RĂŒckwĂ€rts wird’s auch nicht besser


Seit 1990 findet im Norden Schottlands in der NĂ€he des Boards-of-Canada-Studios einmal jĂ€hrlich eine Outdoor-Party statt. Vor der imposanten Naturkulisse Schottlands und verstreut brennenden Lagerfeuern lauschen die Besucher rĂŒckwĂ€rtslaufenden Sprachcollagen, verfremdeter Filmmusik und starren auf flimmernde LeinwĂ€nde, beschienen von kruden Film-ObskuritĂ€ten. Unter dem Namen Hexagon Sun kollaborierten die Zeremonienmeister der Veranstaltung Mike Sandison und Marcus Eoin regelmĂ€ĂŸig mit befreundeten Musikern. Wabernder Elektronika-Prog weht ĂŒber einen Strand irgendwo im nördlichen Schottland. In der Nacht des ersten Festivals leuchtete der Mond blutrot und der Name dieses nebligen Gatherings war geboren: Red moon nights.

Vielleicht waren diese Abende die Geburtsstunde der Boards of Canada, wie wir sie heute kennen. Alles scheint dagewesen zu sein: die Faszination fĂŒr Natur, dieses dĂŒstere, esoterisch angehauchte Neo-Hippietum, die Anspielungen auf bedeutungsschwangere mathematische Konstruktionen. Keine andere Elektronika-Band hat in den letzten Jahren mehr RĂ€tsel aufgegeben. In Internet-Foren werden ihre Platten mit pedantischer PrĂ€zision auf versteckte Hinweise untersucht, Samples rĂŒckwĂ€rts abgespielt, Zahlenfolgen gedeutet. So finden sich auf der EP A Beautiful Place In The Country im Artwork der Platte beispielsweise Hinweise auf den Kollektiven Selbstmord der Davidianer-Sekte im texanischen Waco. Und auf ihrem vorletzten Album Geogaddi soll man in einem rĂŒckwĂ€rtslaufenden Sprachsample den Satz “A God with Horns” hören können.

"The Devil Is In The Details" nennt sich ein Track auf Geogaddi. Bei den Interpretationen handelt es sich also nicht nur um Phantasmagorien obsessiv veranlagter Fans. Boards of Canada selber sind nicht ganz unschuldig an den Mysterien und VerklĂ€rungen, die sich um sie ranken. Doch die Zeiten scheinen sich geĂ€ndert zu haben. Durch Campfire Headphase, die neue BOC-Platte, weht im Gegensatz zum dĂŒster vernebelten Surrealismus von “Geogaddi” der illuminierende Wind der AufklĂ€rung. Die Tracks sind strukturell glasklar, die Beats rumpeln prĂ€zise abgezirkelt vor sich hin. DarĂŒber schweben diese typischen BOC-FlĂ€chen, wie pastellige Farben, die langsam ineinander laufen, sich vermischen und vorsichtig gerinnen. Vielleicht ist Campfire Headphase die Abendröte der Elektronika. Zeitlos schön und gerade deshalb so zeitgemĂ€ĂŸ. Fast wie ein klassisches LehrstĂŒck, eine Essenz. Und fĂŒr BOC die logische Konsequenz ihrer bisherigen Arbeit. NatĂŒrlich ist auch Campfire Headphase durchsetzt mit Anspielungen, Konzepten, RĂ€tseln. Das Bild, dass sich aus der Musik herauslesen lĂ€sst, rĂŒckt eine andere Seite ins Licht: Marcus Eoin und Mike Sanderson ging es niemals allein darum, in opake, mystische Welten herabzufĂŒhren, sondern eher darum, das Seltsame, schwer Verstehbare der Welt in Musik umzusetzen. RĂ€tsel aufzugeben, die danach verlangen, entrĂ€tselt zu werden. Eine epische Inszenierung fundamentaler Konflikte auszubreiten: Magie vs. Logik, SpiritualitĂ€t vs. Vernunft.

Wie fĂŒhlt sich das fĂŒr euch an, eine Platte draußen zu haben? Ist das nicht immer hart, so einen Schnitt zu machen, die Musik in der Öffentlichkeit zu exponieren und die Reaktionen abzuwarten?
"Wir sind mit der neuen Platte sehr glĂŒcklich. Es ist schon manchmal schwer, diesen Punkt abzupassen, an dem man sagt: “OK, das ist jetzt fertig”, und ab und zu mĂŒssen wir uns richtig dazu zwingen, einen Track gehen zu lassen. Bei dieser Platte war es aber eigentlich so, dass wir den Sound, den wir erreichen wollten, auch fast genauso hinbekommen haben. GrundsĂ€tzlich interessieren uns die Reviews und der ganze Internet-Chat ĂŒber unsere Musik nicht wirklich. Wir versuchen immer einfach nur unseren Instinkten zu folgen."
The Campfire Headphase klingt schnörkelloser als “Geogaddi”. Gab es Unterschiede im Produktionsprozess, in eurem Zugang zur Musik?
"Ja. In gewisser Weise wollten wir unsere Musik vereinfachen. Das war aber im Vergleich zu den anderen Platten sehr zeitaufwendig. Klingt komisch: mehr Zeit fĂŒr einen reduzierten Sound. War aber so. Unser Zugang zur Musik verĂ€ndert sich eigentlich stĂ€ndig und von Platte zu Platte. Unsere Ideen und Themen Ă€ndern sich, die Musik, die wir hören 
 Diesmal wollten wir zurĂŒckkehren zu einem simplen Sound, zu destillierten Melodien. Die Tracks sind aber gleichzeitig immer noch sehr dicht im Hinblick auf die Arrangements."
Ihr arbeitet jetzt seit fast 20 Jahren zusammen. Gab es bei eurer Kollaboration eine Zeit, in der ihr euch in einer Sackgasse gefĂŒhlt habt?
"Nein, eigentlich nicht. Wir haben eher das GefĂŒhl, nicht genug Zeit zu haben, alles das zu machen, was wir gerne machen wĂŒrden. Unsere Musik Ă€ndert sich von Platte zu Platte, bleibt aber im Kern ganz klar Boards of Canada. Wir lassen immer ein anders farbiges Licht durch unsere Musik scheinen. Außerdem interessieren wir uns beide fĂŒr Ă€hnliche Dinge, Ă€hnliche Filme, Ă€hnliche Musik, Kunst und Literatur. Uns gehen irgendwie nie die Ideen aus. Wir planen jetzt schon unser nĂ€chstes Projekt."
Gab es fĂŒr euch einen musikalischen Moment, von dem ihr dachtet, das ist jetzt perfekt, das könnte fĂŒr immer so weitergehen?
"Ja, das passiert sogar sehr oft. Speziell bei den extrem minimalen Tracks, bei einer verloren klingenden, isolierten Melodie oder sich wiederholenden Phrasen. Auf diesem Album ist das bei dem letzten Track "Farewell Fire" so. Wir hĂ€tten der Musik fĂŒr immer zuhören können, also haben wir den Track am Ende der Platte ganz langsam ausgefaded, so langsam, dass der Track die letzten zwei Minuten kaum noch zu hören ist, die Musik aber weiter ganz leise vor sich hinkreist."
Spielen die Zuhörer irgendeine Rolle fĂŒr euch?
"Das ist eine schwierige Frage, weil wir uns auf der einen Seite immer vorstellen, dass niemand unsere Musik hört, um die Musik möglichst direkt und unmittelbar aus uns selber heraus zu produzieren. Aber da draußen gibt es natĂŒrlich viele Leute, die sich sehr intensiv alles anhören, was wir machen. Also spielen wir ein wenig damit. Eines unserer Hauptziele ist es, ganz tief sitzende GefĂŒhle beim Hörer anzusprechen 
 persönliche, emotionale Bindungen oder eine verblasste Erinnerung an jemanden oder etwas, das verloren ist."
Woher kommt eure Faszination fĂŒr “heidnische” Religionen und Natur? Den Track "Ataronchronon" könnte man vielleicht in diesem Kontext sehen.
"Ataronchronon" handelt eher von der Zersplitterung eines vertrieben Indianerstamms, es handelt von geschichtlicher Tragik und Ungerechtigkeit. Wir sind zwar an Religion interessiert, selber aber nicht religiös. Unser Interesse sowohl an der SpiritualitĂ€t als auch an der Natur, an Geometrie und Mathematik, an der Erhabenheit der Wahrnehmung des Ganzen hĂ€ngt damit zusammen, dass wir verstehen wollen, welche Werte und Muster unser Gehirn auf die Welt projiziert. Vielleicht können aber auch das Spirituelle, die Wissenschaft, Logik und Mathematik nebeneinander stehen. Die Dinge scheinen manchmal nicht allein wissenschaftlich erklĂ€rt werden zu können. Wenn man eine schöne Melodie hört, sich in jemanden verliebt, was auch immer 
"
Auf der A Beautiful Place In The Country-EP spielt ihr auf das Waco-Massaker an. Dort hat eine Sekte einen kollektiven Selbstmord begangen. Wie fĂŒgt sich das ein?
"Das Interesse an Religion kommt aus unserem Respekt und der Liebe fĂŒr die Perfektion, die man ĂŒberall auf diesem Planeten sieht. Aber in evolutionĂ€rer Hinsicht haben Menschen schlicht und einfach nicht den Intellekt, um wirklich zu verstehen, was vor sich geht. Es reduziert sich also auf einen Krieg zwischen Logik und SpiritualitĂ€t, wie eben in Waco."
Wie steht ihr zu den ganzen Interpretationen, die ĂŒber eure Platten kursieren?
"Das erstaunt uns manchmal schon, dass die Leute ganz kleine Details in unserer Musik wahrnehmen, von denen wir gedacht haben, dass sie die niemals bemerken wĂŒrden. Auf der anderen Seite werden aber auch einfach Dinge erfunden, die so nicht da sind. Deshalb wird es manchmal tatsĂ€chlich einfach nur absurd."


Translated text

Nuvola apps package editors.png
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Scans

References

  1. ↑ http://de-bug.de/mag/boards-of-canada/
  2. ↑ http://de-bug.de/share/debug96.pdf